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Die Pforten der Hölle
Versuchungen des Banalen

Mathis Grünewald, Isenheimer Altar, 1510 - 1515, Die Versuchung des hl. Antonius (Ausschnitt), Musée d'Unterlinden, Colmar


Mittwoch
07.04.04
19:00 Uhr
INSTALLATION DER DIFFERENZ


Künstlerhaus-Reihe "Neue Glaubwürdigkeit" 5


Prof. Dr. Michael Bongardt und Pfarrer Manfred Fischer sprechen über die Flucht vor Heiligkeit, über die Angst vor Kraft und über unsere Schwäche im Hinblick auf die Gegenwart Gottes. Christian Winter d'Arc (Text), Katja Höllein und Anne Altenburg (Percussion) geben dem Tosen des Lebens vor der Entropie der Gefühle neuen Raum.


Mathis Grünewald, Isenheimer Altar, 1510 - 1515, Antonius beim Einsiedler Paulus (Ausschnitt), Musée d'Unterlinden, Colmar



Logos und Lüge sind nahe Verwandte
"Neue Glaubwürdigkeit"
Eine Reihe des Künstlerhaus Berlin über die Krise von Kirche und Welt


Anspruch und Wirklichkeit klaffen in unserer Gesellschaft oft weit auseinander, und diese Kluft wächst zumeist mit den Idealen, die eine Institution vertritt.
Das Künstlerhaus Berlin beginnt im Dezember 2003 eine Reihe unter dem Titel "Neue Glaubwürdigkeit". Siebenmal, jeweils einmal im Monat an einem Mittwoch werden ausschließlich Berlinerinnen und Berliner Stellung beziehen zu dieser Krise des Auseinanderfallens von Anspruch und Wirklichkeit in unserer Gesellschaft und in unserer Kirche.

"Stellung beziehen" hat schon fast etwas Kämpferisches, Zeugnishaftes; auf jeden Fall werden diese "INSTALLATIONEN" (Stellungen) wahrscheinlich selbst mehr Fragen als Antworten anbieten, Rätsel statt vorschnelle Lösungen aufzeigen. Und das Ganze wird in akademisch-künstlerisch collagierter Form geschehen, um genau jene Zwischentöne zum Klingen zu bringen, die in einseitig-diskursiven Veranstaltungen unter den Tisch fallen. Aber Menschen, Kunst und Religion können nur ganzheitlich begriffen werden, und auch nur ganzheitlich wachsen.

Mathis Grünewald, Isenheimer Altar, 1510 - 1515, Die Versuchung des hl. Antonius (Ausschnitt), Musée d'Unterlinden, ColmarNicht nur Nietzsche wirft uns Christen vor, dass wir doch eigentlich erlöster aussehen müssten; Pietismus und Frömmigkeit wirken häufig eng und beklemmend; und von Martin Luthers Freiheit des Christenmenschen ist in unseren Kirchen wirklich nicht immer etwas zu spüren.

Doch wir wollen nicht nur Salz in die Wunden streuen, wir wollen auch begreifen, warum das so ist, und wir wollen - Werkstatt und Labor, das wir als Künstlerhaus sind - Auswege aus der Krise und Impulse der Veränderung finden, bzw. die Krise als Kraft und Chance verstehen.

Denn die Krise, die zur Zeit das Erzbistum Berlin erschüttert, ist in Vielem nur ein Spiegel der Krise der gesamten Kirche in Deutschland, so wie die Kirche wiederum die Krise der Gesellschaft im Ganzen widerspiegelt. Und auch das Erzbistum kopiert im Kleinen nur die Problematik der gesamten Stadt Berlin.
Kirchliche Verhältnisse laufen also parallel zu staatlichen Verhältnissen, und die Strukturen, die im Staate greifen, greifen immer auch in der Kirche.

Mathis Grünewald, Isenheimer Altar, 1510 - 1515, Die Versuchung des hl. Antonius (Ausschnitt), Musée d'Unterlinden, ColmarDas wissen wir alles. Vieles funktioniert im Staate nun nicht mehr, und Vieles auch in der Kirche nicht, nur daß man es in der Kirche noch weniger zu bemerken wünscht wie im Staat (und vielleicht auch noch resistenter gegenüber Reformen ist, weil wir in der Kirche geneigt sind, Macht und Strukturen immer als Gott gegeben hinzunehmen).

Die finanzielle Seite dieser scheinbar alles betreffenden staatlichen und auch kirchlichen Krise ist dabei nur ein Teilaspekt einer weitaus umfassenderen "katholischeren" Situation, deren Ursachen wesentlich tiefer greifen und die zeitlich vielleicht anders liegen, als uns bewußt ist.

Angesichts der offensichtlichen Schwierigkeiten, sich der Realität zu stellen, und angesichts der Ungerechtigkeit, sich in diesem Verdrängungsprozess vorschnell nur einzelne Personen als verantwortliche Sündenböcke herauszugreifen, möchte das Künstlerhaus Berlin (unter dem Dach der Katholischen Akademie in Berlin) in seiner Reihe "Neue Glaubwürdigkeit" versuchen, hier einen neuen Zugriff zu schaffen, die eigentlichen Ursachen der momentanen Not zu betrachten und in künstlerischer und spiritueller Auseinandersetzung Anstöße zur Veränderung zu geben.

Gerade weil die Welt immer schon so beliebig und voller Klischees und Selbstlügen ist, wünschen sich die Menschen, dass die Religion das nicht mitmacht. Sie soll der Ort der Freiheit und der Würde des Menschen sein; etwas, das die Welt überwindet und über ihren Tellerrand hinausschaut. Die Sehnsucht nach dem Heilen und Ganzen ist wacher denn je. Darum suchen wir archaische Orte auf, darum begeistern wir uns so für das Einfache und Klare, darum spüren wir so sehr genau Übereinstimmung, Stimmigkeit und Authentizität - egal bei welchem Ritus, egal bei welcher Religion und Konfession, wenn sie denn da sind.

Die Zeiten verändern sich. Logos und Lüge sind nahe Verwandte. So wie Gott und Teufel. Und der Mensch muss sich entscheiden. Und wenn er sich nicht entscheidet, hat ihn das Chaos - das Auseinanderklaffen - schon überrollt.


Mathis Grünewald, Isenheimer Altar, 1510 - 1515, Antonius beim Einsiedler Paulus (Ausschnitt), Musée d'Unterlinden, Colmar



Alle Termine der Reihe "Neue Glaubwürdigkeirt" auf einen Blick:

Mittwoch, 10. Dezember 2003, 19:00 Uhr
Der Fluch der Nische - Mutter Kirche und Ödipuskomplex
Mittwoch, 21. Januar 2004, 19:00 Uhr
Die Kreuzigung Gottes - Es sind nicht die Juden (sondern die eigenen Leute)
Mittwoch, 4. Februar 2004, 19:00 Uhr
Theologie als Verdrängung
Mittwoch, 31. März 2004, 19:00 Uhr
Klerus und Sklerose - Nachwuchs, Regression und Heiliger Geist
Mittwoch, 7. April 2004, 19:00 Uhr
Die Pforten der Hölle - Versuchungen des Banalen
Mittwoch, 26. Mai 2004, 19:00 Uhr
Lust der Tugend - Die Qualitäten göttlicher Kraft
Mittwoch, 9. Juni 2004, 19:00 Uhr
Gott fühlen

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